Montag, 16. April 2012

Chapter 5

Einen Moment lang herrschte Schweigen im Krankenzimmer. Abwesend ließ Qhuinn seine Zunge über seine Lippen streichen, so als würde er versuchen, Blays Kuss spüren zu können. „Warum? Warum hast du das getan?“ fragte er dann leise.
Blay presste die Lippen aufeinander, fragte sich, warum er Qhuinn die Wahrheit gesagt hatte, anstatt den leichteren Weg zu nehmen und weiterhin abzustreiten, dass es diesen Kuss gegeben hatte. „Ich... verdammt, Qhuinn, ich hab gedacht, du stirbst, okay?“ murmelte er dann.
„Und? Das war dir nicht egal? Du hast mich also doch vermisst?“ Qhuinn war sich sicher, dass Blay das gesagt hatte und er wollte es jetzt noch einmal hören, wollte es so hören, dass er das auch mitbekommen würde.
„Nein, natürlich ist es mir nicht egal, wenn du es unbedingt hören willst. Aber nein, ich hab dich nicht vermisst, es geht nicht alles um dich, Qhuinn! Ich habe auch ein Leben und in dem gibt es nicht nur dich! Ich hatte Angst, dass du stirbst, das ist alles, okay?“ bestand Blay darauf.

Qhuinn presste die Lippen fest aufeinander und starrte gegen die Decke. „Dann solltest du besser gehen, Blay. Zurück in dein Leben. Tut mir leid, dass ich es durcheinander gebracht habe, wo doch alles so toll ist in deinem Leben. Geh einfach.“ zischte er, ballte seine Hände unter der Decke zu Fäusten.
„Ich wollte nur sicher gehen, dass es dir gut geht.“ Blay zuckte mit den Schultern und stand wieder auf um Richtung Tür zu gehen. „Wrath hat mich übrigens gefragt ob ich zurück kommen will, aber ich denke nicht, dass das eine so gute Idee ist.“ sagte er, drehte sich noch mal kurz zu Qhuinn um. „Pass auf dich auf, okay?“
„Du auch.“ antwortete Qhuinn abwesend.

Als Blay das Krankenzimmer verließ, verfluchte er es, dass er jetzt hier im Anwesen festsitzen würde, bis es dunkel werden würde. Er konnte nicht fassen, dass er zu vor tatsächlich darüber nachgedacht hatte, Wraths Angebot anzunehmen. Und zwar, weil er geglaubt hatte, dass es besser so wäre für Qhuinn! John hatte recht, als wenn er seine Entscheidungen treffen sollte, nach dem was besser für Qhuinn wäre. Viel mehr ging es hier darum, was er wollte! Das Problem war nur, dass er das selber nicht wusste. Das, was passiert war, hatte wirklich alles durcheinander gebracht und natürlich war es auch gelogen gewesen, dass er Qhuinn nicht vermisst hatte. Aber Blay hatte sich in die Enge getrieben gefühlt, hatte das Gefühl gehabt zu viel von dem verraten zu haben, was in ihm wirklich vorging und hatte gleich wieder mehrere Schritte zurück gemacht. Es war eine Ausnahmesituation gewesen und er war nicht bereit sich von dieser das kaputt zu machen, was er sich jetzt aufgebaut hatte. Eine leise Stimme in seinem Inneren sagte ihm allerdings, dass es ihm gefallen hatte, wieder in Qhuinns Nähe zu sein, dass es ihm gefallen hatte, wieder an seiner Seite zu kämpfen, aber er wollte sie nicht hören!

Als Blay das Foyer betrat, war er etwas überrascht, dort auf John zu treffen. Er hatte erwartet, dass dieser bei seiner Shellan im Zimmer sein würde. „Hey, ist er mittlerweile aufgewacht?“
Blay seufzte. „Ja, ist er. Und ich wünschte, ich wäre vorher gegangen.“
„Dann habt ihr euch also nicht ausgesprochen?“
„Mit Qhuinn kann man sich nicht aussprechen! Ich hätte nicht hier bleiben sollen.“
John schüttelte leicht seinen Kopf. „Ich dachte bisher irgendwie immer, dass Qhuinn stur ist, ich wusste aber nicht, dass du es auch bist.“
„Das hat nichts mit stur sein zu tun. Ich habe mit dem Kapitel Qhuinn abgeschlossen, okay? Und es war ziemlich dumm von mir zu glauben, dass es vielleicht einen Weg geben würde, wieder mit ihm umgehen zu können! Den gibt es nichts mehr.“
„Blay, wem machst du jetzt gerade was vor? Mir kannst du nämlich nichts vormachen. Ich habe dich gesehen, als du mit Qhuinn auf dem Rücksitz saßt und ich habe auch gehört, was du gesagt hast. Du hast nicht mit dem Kapitel abgeschlossen! Und auch wenn du es nicht hören willst, du wirst es auch nie!“
„Ich will es aber, okay? Und es geht mir gut in einem Leben ohne Qhuinn!“
„Wie gut es dir gehen würde ohne ihn, haben wir ja gesehen, als du Angst hattest, dass er es nicht schafft.“ kommentierte John bevor er Blay stehen ließ, der genau wusste, dass John recht hatte, es aber im Moment wirklich nicht hören wollte.


Es war komisch, wieder über den Gang des Hauses zu gehen, der zu seinem Zimmer führte. Oder besser gesagt, dem Zimmer, in dem er früher hier im Anwesen gewohnt hatte. Und eigentlich fühlte Blay sich auch nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken, in dieses zu gehen, nur irgendwo musste er ja schließlich warten, bis er wieder nach Hause konnte.
Vorsichtig öffnete er die Tür und stellte überrascht fest, dass sich in dem Zimmer nichts verändert hatte, seitdem er es zum letzten Mal betreten hatte. Es sah noch alles genauso aus. Es waren sogar ein paar Sachen, die Blay damals nicht mitgenommen hatte, noch immer an ihrem Platz, fast so, als wäre er nie weg gewesen. Wie seltsam, wenn man bedachte, dass er eben noch erst für sich entschieden hatte, dass es für ihn kein Zurück mehr geben würde.
Langsam lief er durch das Zimmer und sah sich die Sachen an, die er zurück gelassen hatte. Hinlegen wollte er sich ohnehin nicht, weil er fast genau wusste, dass er sich dann zu viele Gedanken machen würde.
Sein Blick blieb an einem Foto hängen, von dem er nicht mal mehr wusste, dass es noch immer in diesem Zimmer stand. Es zeigte Qhuinn, John und ihn. Und es zeigte, wo sie mal gewesen waren und wo sie jetzt waren. Blay schloß seine Augen, dachte daran, dass es Qhuinns erste Frage gewesen war, ob er ihn geküsst hatte und fragte sich, warum er nicht einfach bei seinem Nein geblieben war. Insgeheim kannte er die Antwort. Weil er gewollt hatte, dass Qhuinn von diesem Kuss wusste! Weil er gewollt hatte, dass Qhuinn gewusst hatte, was zwischen ihnen abgelaufen war, als sie wohl beide gedacht hatten, dass Qhuinn sterben würde. Und doch hatte er es danach alles auf die Situation geschoben.
Stöhnend ließ er sich auf das Bett sinken und platzierte das Foto auf dem Nachttisch. Wenn es dunkel werden würde, dann würde er zurück nach Hause gehen und würde dann alles vergessen, was in dieser Nacht passiert war.
Erst jetzt merkte er, wie sehr ihn das alles auch eigentlich erschöpft hatte und obwohl er nicht damit gerechnet hatte, dass das möglich sein würde, schlief er einen kurzen Moment später dann auch schon ein.

Qhuinn wusste mittlerweile wieder alles, was passiert war. Jedes Wort. Und er konnte nicht fassen, was Blay darüber gesagt hatte. Okay, es stimmte. Er hätte das vermutlich so nie zu Blay gesagt, wenn es nicht eine außergewöhnliche Situation gewesen wäre, aber deswegen war es nicht weniger wahr. Im Gegenteil, es entsprach sogar genau der Wahrheit, so dass er es in seiner Angst auch offen ausgesprochen hatte.
Dass Blay bei ihm gewesen war, dass er sich Sorgen um ihn gemacht hatte, das bedeutete Qhuinn wirklich wahnsinnig viel. Und auch, dass er sich bei Wrath für ihn eingesetzt hatte. Zu mal Qhuinn genau wusste, dass er das vermasselt hatte und sich schon seit einiger Zeit auf sehr dünnem Eis bewegte. Es hätte nie dazu kommen dürfen, dass ausgerechnet Blay für ihn hätte lügen müssen.
Dann dachte er darüber nach, was Blay sonst noch gesagt hatte. Dass Wrath ihm angeboten hatte, wieder zurückzukehren. Und wie toll es wäre, wenn Blay das annehmen würde. Allerdings hatte der auch schon deutlich gemacht, wie er dazu stand.
Qhuinn schloß ein wenig gequält seine Augen und dachte daran, wie es sich angefühlt hatte, Blays Finger zwischen seinen zu spüren, als er wach geworden war. Und er wünschte sich, er könnte das jetzt auch wieder spüren. Stattdessen fühlte er sich unglaublich alleine. Zu wissen, dass Blay irgendwo im Anwesen war, weil er auf die Dunkelheit wartete, machte alles nur noch mal schwerer. Er war in der Nähe, aber doch so weit weg.
Als es an der Tür klopfte, hob Qhuinn sofort seinen Kopf an. „Blay?“ fragte er.
„Nicht ganz.“ John zuckte entschuldigend mit den Schultern als er das gestikulierte. „Wie geht es dir, Mann?“
Qhuinn grinste schief. „Es ging mir schon mal besser. Aber... es geht. Ich bin wohl gerade noch mal davon gekommen, wie es aussieht. Und das wohl sogar gleich in zwei Dingen. Und beides Mal... Dank Blay.“ sagte er, wurde gegen Ende hin etwas leiser. Wenn das denn nur irgendeine Bedeutung hatte.


„Was machst du da?“ John sah seinen Freund irritiert an, als dieser sich auf dem Bett aufsetzte und ganz offensichtlich versuchte, aus diesem aufzustehen.
„Wonach sieht es denn aus?“ fluchte Qhuinn. „Hilf mir lieber mal. Ich muss aufstehen, verdammt noch mal!“
„Qhuinn, du hast ein Loch im Bauch. Du solltest liegen bleiben.“
„Das ist mir egal. Das tut nicht mehr weh. Nicht so, wie das Loch, das sonst in meinem Inneren ist. Ich muss zu Blay, okay?“
John zog die Augenbrauen hoch und fragte sich ob das noch immer die Nachwirkungen der Verletzung war, dass Qhuinn sich so verhielt. Es war so überhaupt nicht seine Art und John war sich nicht sicher, ob Qhuinn überhaupt schon mal so unverschleiert seine Emotionen gezeigt hatte. „Ich kann ihm sagen, dass er herkommen soll.“ bot er an, fand es noch immer keine gute Idee, dass Qhuinn aufstehen würde.
Qhuinn schüttelte den Kopf. „Nein, du verstehst das nicht. Ich muss zu ihm! Jetzt! Und wenn du mir nicht hilfst, dann werde ich es eben alleine schaffen.“ Und mit den Worten hatte Qhuinn seine Beine schon halb aus dem Bett gehoben, stöhnte kurz leicht auf, weil sein Bauch doch mehr schmerzte, als er es angenommen hatte.

John fluchte lautlos, wusste aber, dass Qhuinn sich nicht aufhalten lassen würde. Also trat er an das Bett und schlang einen Arm um dessen Schultern, zog ihn so gut es ging hoch. „Warum dir ausgerechnet jetzt einfallen muss, dass du das machen willst...“ gestikulierte er, versuchte Qhuinn dann zur Tür zu bringen.
Es passte Qhuinn so gar nicht, dass er so hilflos war, dass er ohne John kaum einen Schritt vorwärts machen konnte, aber er wusste zu gut, dass er das nie machen würde, wenn er es nicht jetzt machen würde. Und bevor ihn sein Mut verließ, musste er dringend zu Blay.

Der Weg bis zu Blays Zimmer erschien Qhuinn wie eine Ewigkeit. Sein Bauch schmerzte, aber er verdrängte das so gut wie es nur irgendwie ging. Er hatte hingenommen, dass Blay gegangen war, hatte sich nicht mal wirklich von ihm verabschiedet und hatte nicht versucht, in der Zeit Kontakt zu ihm zu haben. Aber jetzt war er nicht weiter bereit, hinzunehmen, dass Blay wieder in sein Leben platzte und dann einfach wieder ging.
Als sie endlich an der Tür zu Blays Zimmer angekommen waren, drehte Qhuinn sich zu John um. „Danke. Aber den Rest muss ich jetzt alleine schaffen.“ stellte er klar.
„Okay, viel Glück. Und Qhuinn... ich finde es gut, dass du das jetzt machen willst!“ nickte John ihm noch mal leicht zu und ließ Qhuinn dann alleine.
Qhuinn klopfte an der Tür, mittlerweile längst nicht mehr sicher, was er Blay eigentlich sagen wollte. Genau genommen hatte er überhaupt noch keinen Plan dafür, hatte er nur gewusst, dass er eben zu Blay wollte. Allerdings bekam er auch keine Antwort, fragte sich, ob Blay überhaupt da war. Aber andererseits, wo sollte er auch sonst sein?
Also entschied Qhuinn, dass er einfach das Zimmer betreten würde, machte sich darauf gefasst, dass er noch eine Abfuhr einstecken würde. Und war das nicht eigentlich nur fair? Wenn man bedachte, wie viele Abfuhren er Blay seinerseits erteilt hatte. Die letzte, an dem Abend von Blays Abschied, als er er sich geweigert hatte, an der kleinen Feier teilzunehmen, als er nicht ein einziges Wort des Abschiedes zu ihm gesagt hatte. Einfach nur, weil er Angst gehabt hatte und das Ganze nicht wahrnehmen hatte wollen.
Mitten im Zimmer blieb Qhuinn stehen, als ihm bewusst wurde, dass Blay sehr wohl da war, er allerdings auf dem Bett lag und schlief. Er zögerte, was er nun tun sollte, wollte Blay eigentlich nicht wecken. Und wollte sich auch nicht ausmalen, was Blay sagen würde, wenn er ihn nun wecken würde. Aber er wollte auch nicht gehen, jetzt wo er es eben einmal bis hierher geschafft hatte.
„Blay?“ brachte er dann leise über seine Lippen. „Blay, bitte... ich muss mit dir reden.“ murmelte er hilflos.

1 Kommentar:

  1. wieder sehr schön :) jetzt bin ich ja gespannt was qhuinn ihm nun sagen wird, und vorallem wie blay darauf reagiert. das sax dabei so ruhig bleibt das sein freund immer bei seiner gescheiterten liebe rum hängt ist auch erstaunlich, aber da kommt sicher noch was

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