„Besonders
gesprächig bist du heute aber nicht.“ bemerkte John, als sie
beide schon seit einigen Minuten nur schweigend auf Blays Bett saßen
und an ihrem Bier tranken.
„Tut
mir leid, ich hätte wohl sagen sollen, dass ich keine besonders
gute Gesellschaft bin.“ gab Blay zurück.
„Schon
okay. Ich dachte, dass wir einfach nur etwas Zeit miteinander bringen
könnten. Mann, ich hab dich echt vermisst!“
Blay schaffte es,
schwach zu lächeln. „Weisst du, wie viele Tage ich weg war?“
fragte er dann ziemlich plötzlich.
Überrascht
kniff John seine Augen zusammen. „Na ja, du warst auf jeden Fall
über vier Monate weg. Aber nein, weiß ich nicht.“
„Er
wusste es.“ murmelte Blay.
„WAS?“
gestikulierte John, noch immer ziemlich verwirrt.
„Qhuinn.
Er wusste es. 141 Tage.“ Nervös trank Blay von seinem Bier,
das er in seinen etwas zittrigen Händen hielt. Wenn er das doch
nur alles so einfach abtun könnte, aber so leicht war es nicht
wirklich.
„Das
wundert mich nicht wirklich. Blay, ihr seid Beide meine Freunde.
Und... ihr habt beide gelitten. Ich leide mit euch. Und Qhuinn...
Qhuinn war wirklich nicht mehr er selber, in der Zeit in der du weg
warst.“
„Ja,
weil er das haben will, was er nicht hat. Wie ein kleines Kind, dem
man sein Spielzeug weggenommen hat. Und dann... dann hat er
irgendwann keine Lust mehr darauf und noch mal überlebe ich das
wirklich nicht, John.“ sagte Blay bitter.
John starrte einen
Moment lang einfach nur auf seine Flasche, bevor er sich an Blay
richtete. „Ich denke nicht, dass es das ist. Qhuinn kann genauso
wenig ohne dich, wie du ohne ihn.“ gab er dann zu bedenken.
„Für
wie lange, John? Für wie lange? Und nein, ich kann nicht ohne
ihn. Wenn... er gestorben wäre, dann wäre ich ihm gefolgt.“
sprach Blay zum ersten Mal etwas aus, was er bisher auch zurück
gehalten hatte.
„Ich
kann verstehen, dass du vorsichtig bist, Blay. Aber bei Qhuinn wäre
das genau so. Er würde dir auch folgen. Überall hin.“
Wieder schien John einen Moment nachzudenken, bevor er vorsichtig
fragte: „Weswegen ist das mit Saxton zu Ende?“
„Saxton...
ist die loyalste Person, die ich kenne. Sogar oder vor allem Qhuinn
gegenüber. Qhuinn hat einen großen Auftritt hingelegt, als
er bei Saxton und mir war. Er hat Saxton durch die Luft geschleudert
und... sich an mich gebunden. Und daraufhin hat Saxton gesagt, dass
es für uns so nicht weiter gehen wird.“
Als Blay davon
sprach, dass Qhuinn sich gebunden hatte, war John kurz wirklich
überrascht. „Dann... ist es erst recht nicht nur einfach mal
eine Laune, die er gerade hat. Man bindet sich nicht einfach mal so!“
Qhuinn starrte eine
ganze Weile auf das Foto von John, Blay und sich. Er wusste zwar,
dass er mittlerweile so weit war, dass er mehr als nur diese
Freundschaft wollte, aber vermutlich musste er in kleinen Schritten
anfangen, um Blay überhaupt wieder zurück zu gewinnen. Dass
er ihn so sehr verletzt hatte, dass er sich jetzt so verschlossen
hatte, tat weh zu wissen.
Einem Impuls
folgend griff er nach seinem Handy und tippte eine Nachricht an John.
„Treffen bei Blay?“
„Bin
schon da. Beweg seinen Arsch rüber.“ erhielt er kurz darauf
sofort als Antwort und sprang auch gleich von seinem Bett auf um sich
auf den Weg zu Blay zu machen, den festen Vorsatz diesmal nichts zu
tun, was Blay irgendwie traurig machen würde. Er wollte ihn
lachen sehen!
Als es an Blays
Zimmer klopfte, sah der überrascht auf, aber John stand schon
gleich auf und öffnete die Tür für Qhuinn.
„Habt
ihr euch irgendwie abgesprochen?“ fragte Blay ein wenig gequält.
„Ihr
könnt doch jetzt nicht ohne mich mit dem Bier anfangen!“
beschwerte Qhuinn sich scherzend und deutete auf die schon fast leere
Flasche in Johns Hand.
„Können
wir schon, aber wir haben sicher noch mehr.“ deutete John ihm an,
reinzukommen, ohne wirklich auf Blays Protest einzugehen. Er war
einfach nicht gewillt, weiterhin zu zu sehen, wie seine beiden
Freunde sich fertig machten.
Zehn Minuten später
war John sich nicht mehr sicher, ob das hier alles eine so gute Idee
war. Jetzt hatte er nicht nur einen schweigenden Blay an seiner
Seite, sondern auch noch einen schweigenden Qhuinn. Sie saßen
alle drei nur auf dem Bett, tranken Corona, aber unterhielten sich
nicht. Und weil seine Freunde recht abwesend zu sein schienen mit
ihren Gedanken, versuchte John auch nicht gerade oft, ein Gespräch
in den Gang zu bringen, weil sie seinen Gesten kaum folgen zu
schienen.
„Ist
es das jetzt? Ist es das jetzt, wie es immer sein wird zwischen uns?“
gestikulierte er dann so wütend, dass er plötzlich die
Aufmerksamkeit beider hatte. „Ich dachte wirklich, wenn ich euch
beide hier zusammen bringen würde, dann würde es vielleicht
endlich so werden wie früher, aber offenbar habe ich mich da
getäuscht!“
„Ich
hab ihn nicht eingeladen.“ zischte Blay.
Qhuinn zuckte bei
diesem Kommentar von Blay zusammen. „Tut mir leid, wenn ich so
schwer zu ertragen bin.“ gab er zurück.
„Wow,
ihr redet. Was für ein Fortschritt!“ Johns Kommentar.
„Ich
wollte einfach nur meine Ruhe! Ich bin nicht hierher zurück
gekommen, weil ich geglaubt habe, es wird wieder wie früher! Ich
glaube da so oder so nicht dran.“
Die Kälte in
Blays Stimme, nahm Qhuinn fast die Luft zum Atmen. Das war nicht der
Blay, den er kannte. Nicht sein Blay. Auch wenn er kein Recht hatte
von ihm als Sein zu denken. „Ich weiß nicht, wie das passiert
ist, aber ich wollte nie, dass es so kommt. Du bist nicht der Blay,
den ich kenne und ich werde mich für den Rest meines
bescheidenen Lebens hassen, wenn der wahre Blay nicht noch irgendwo
in dir ist.“
„Und
du kennst den wahren Blay, ja?“ fragte Blay voller Sarkasmus
zurück.
Nur ganz kurz
senkte Qhuinn seinen Blick, bevor er Blay direkt in dessen
saphirblauen Augen, die noch immer so glanzlos wirkten, sah. „Ja,
ich kenne den wahren Blay. Genau wie du als einziger den wahren
Qhuinn kennst, auch wenn du das jetzt nicht mehr so siehst. Und ich
werde dich jetzt in Ruhe lassen, ich wollte deine Willkommensparty
nicht kaputt machen. Das war nur ein dummer Teil von mir, der
geglaubt hat, ich sollte bei dieser vielleicht auch dabei sein. Und
zwar wollte dieser Teil das nicht für mich, sondern für
dich. Der Arschloch Qhuinn lässt dich dann mal in Ruhe!“ Es
gab nur wenige Momenten, in denen man Qhuinn wirklich ansehen und
anhören konnte, dass er wirklich verletzt war und dieser war
einer davon.
Obwohl John sich
etwas anderes gewünscht hatte, ließ er Qhuinn gehen,
wusste, dass das besser so war. Als er mit Blay alleine im Zimmer
war, drehte er sich wütend zu diesem um. „Qhuinn hat recht! Du
bist nicht mehr du selber! Ich kann verstehen, dass du verletzt bist,
aber das hier... das würde Blay nie tun. Und für den Fall
ob du dich fragst, ob du ihn jetzt auch verletzt hast, ja, das hast
du! Und nein, ich finde nicht, dass er das verdient hat!“
Blay antwortete
nicht. Stattdessen starrte er noch immer auf die Tür, durch die
Qhuinn zu vor verschwunden war. Schließlich machte er ein paar
Schritte auf diese zu, presste eine seiner Hände dagegen und
murmelte leise Qhuinns Namen vor sich hin. Als er sich langsam wieder
zu John umdrehte, war der sich fast sicher, dass Blays Augen feuchter
waren, als normalerweise.
„Bin
ich wirklich so schlimm?“ fragte Blay leise.
„Du
bist dabei, dich selber zu verlieren, in dem du dich vor allem und
jedem so zurückziehst.“
In dem Moment ließ
Blay sich langsam mit dem Rücken an der Tür entlang sinken,
bis er auf dem Boden zu sitzen kam. Er vergrub sein Gesicht in seinen
Händen, als wäre ihm diese ganze Sache jetzt furchtbar
unangenehm.
„Weißt
du, was das Problem ist, John?“ fragte er kaum hörbar und hob
überrascht seinen Kopf, als er Johns Hand auf seiner Schulter
spüren konnte und stellte fest, dass der sich neben ihn auf den
Boden gesetzt hatte.
„Sag
es mir!“
„Ich
war das letzte Mal ich selber, als... ich noch hier gewesen bin. Als
ich gegangen bin, habe ich einen Teil von mir hier gelassen.
Qhuinn... Qhuinn ist dieser Teil von mir. Und ich habe wahnsinnige
Angst davor, dass ich diesen Teil nicht mehr wieder finden werden.“
platzte es aus Blay hervor und das mit so einer Traurigkeit, die John
erstens erschrack und die ihn zweitens vergessen ließ, dass er
eigentlich wütend auf Blay war.
Qhuinn schaffte es
nicht bis in sein Zimmer, nachdem er zutiefst getroffen aus dem von
Blay gestürmt war. Auf dem Gang prallte er fast mit Rhage
zusammen, der ihn breit grinsend ansah.
„Dich
habe ich gesucht.“ stellte er fest.
„Was
gibt es, Hollywood?“ fragte Qhuinn kurz angebunden zurück.
„Ich
hab gehört, Blay ist wieder da?“
„Nein,
ist er nicht.“ antwortete Qhuinn, machte sich nicht mal die Mühe
seine übliche Maske wieder aufzusetzen.
Rhage war sichtlich
verwirrt, schüttelte dann aber leicht den Kopf. „Jedenfalls
sollst du zu Wrath ins Büro kommen.“ richtete der Bruder aus.
Qhuinn seufzte
leise. Er war nicht gerade in der Stimmung um jetzt dem König
gegenüber zu treten, um sich womöglich noch eine Standpauke
einzufangen, nach seiner letzten Nacht auf der Straße, obwohl
Blay diese ja bereits Wrath erklärt hatte. Aber er wusste auch,
dass das keine Bitte von Wrath war, sondern, dass ihm ohnehin keine
Wahl blieb, jetzt nicht in dessen Büro aufzutauchen. Er nickte
Rhage nur noch mal kurz zu und machte sich dann auf den Weg zum
Arbeitszimmer des Königs.
Nach einem kurzen
Klopfen betrat er dieses und senkte seinen Kopf leicht. Daran, dass
er gehörigen Respekt vor Wrath hatte, würde sich wohl nie
etwas ändern.
„Hallo
mein König. Du... wolltest mich sprechen? Wenn es wegen der
Nacht ist, in der ich verletzt worden bin, dann...“
„Nein,
ist es nicht. Blaylock hat uns da bereits über alles informiert.
Nein, viel mehr will ich noch mal mit dir über deine Bestrafung
sprechen.“ Wraths Tonfall und seine Mimik ließen in keiner
Weise darauf schließen, ob das hier ein positives oder
negatives Gespräch werden würde.
Qhuinn konnte nur
nicken und als ihm einfiel, dass Wrath das ja nicht sehen konnte,
brachte er ein schnelles Ja über die Lippen.
„Es
kommt mir nicht so vor als hättest du deine persönlichen
Probleme in der Zwischenzeit in den Griff bekommen, aber ich kann es
mir nicht länger leisten auf nur einen von euch zu verzichten.
Deswegen werden John und du ab morgen Nacht wieder mit nach draußen
gehen. Aber ich warne dich, ein Aussetzer und du sitzt wieder hier im
Haus fest! Wenn ich ehrlich zu dir sein sollen, wir hatten dich als
nächsten im Auge, den wir in die Bruderschaft aufnehmen könnten,
aber dafür musst du dich erstmal wieder im Griff haben!“
Es überraschte
Qhuinn etwas, zu hören, dass er wieder raus durfte, aber er
hatte ganz sicher nicht vor, sich darüber zu beschweren. Und
erst recht überraschte ihn das mit der Bruderschaft. Es
bedeutete ihm wirklich sehr viel zu hören, wie sehr er hier
anscheinend akzeptiert wurde, wo er doch so etwas wie Akzeptanz nie
vorher in seinem Leben gekannt hatte. „Natürlich. Ich danke,
mein König.“
„Jetzt,
wo Blay wieder zurück ist, werde ich diesen natürlich auch
wieder mit in die Rotation einbauen. Ich werde ihn vermutlich erstmal
mit Tohr zusammen einsetzen.“ redete Wrath dann weiter und in
diesem Moment erstarrte Qhuinn komplett, biss sich so fest auf die
Lippen, um ein Knurren zu unterdrücken, das in seiner Kehle
hochstieg, dass er Blut auf seiner Zunge schmecken konnte.
„Das
kannst du nicht machen! Blay muss mit John und mir gehen! Ich meine,
wir sind doch ein so gutes Team!“ brachte er mühsam hervor.
„Das
kann ich nicht machen? Falls es dir noch nicht aufgefallen sein
sollte, ich bin der König. Ich kann alles machen. Nenn mir einen
Grund, warum ich das nicht machen kann!“ sagte Wrath sehr ernst.
„Ich
muss doch auf ihn aufpassen!“
„So
weit ich das einschätzen kann, kann Blay ziemlich gut auf sich
selber aufpassen.“ bemerkte Wrath.
Und in dem Moment
verströmte Qhuinn so stark seinen Bindungsduft, dass Wrath einen
deftigen Fluch aussprach. „Du hast definitiv noch einiges zu
klären, aber beruhig dich ein wenig. Ich habe nicht vor, dir
deinen Mann wegzunehmen, okay?“
Qhuinn hatte das
Gefühl zu erröten, konnte nicht fassen, dass er tatsächlich
im Büro des Königs mit seinem Bindungsduft um sich warf.
„Ja, ich... weiß, mein König.“ brachte er leise
hervor.
„Okay,
geh jetzt. Ich werde noch mal über den Einsatzplan nachdenken.“
Qhuinn nutzte die
Gelegenheit um sofort aus dem Büro zu verschwinden.